Well done Mr. Harris, well done Judges, setzen sechs SCA

Die jährliche Formel 1 der Kaffeewelt fand letztes Wochenende in Seoul / Korea statt. Die Barista Weltmeisterschaft, kurz WBC, wurde in den letzten Jahren immer mehr zu einer Materialschlacht der High-End Rohkaffeeproduzenten, Equipmentherstellern und Unternehmen, die bereit waren sehr viel Geld in die Vorbereitung Ihrer Baristi zu stecken.

Die Meisterschaft hatte stets lichte wie auch dunkle Seiten. Wir hätten technologisch und wissenschaftlich in den letzten Zehn Jahren nicht Riesen Schritte vorwärts gemacht, wenn die Teilnehmer der Meisterschaften die Grenzen unseres Verständnisses für Rösten, Extraktion, etc. nicht immer wieder ein Stück weiter ausgeweitet hätten.
Als Beispiel, wie sehr Themen aus den Finals der WBC unseren Alltag als Barista beeinflussen braucht man nur Matt Perger erwähnen, der 2013 für seine Espressi die EK43 benutzt hat (ja, liebe Youngsters, es gab eine Pre-EK Zeit), oder Maxwell Colonna Dashwoods Erläuterung des Einflusses von Wasser auf die Extraktion.

Dale Harris aus England ist der neue Champion.
Und ich feiere diese Entscheidung aus mehreren Gründen.

1. Dales Auftreten war authentisch
Es war interessant, tiefgründig, innovativ aber auch erfrischend „normal“. Ein Barista im weißen Hemd bei seiner Arbeit, der sich wissenschaftlich mit dem Thema Geschmack auseinander gesetzt hat und seine Ergebnisse nun glaubwürdig präsentiert. Interessant aber nicht aufdringlich, innovativ aber nicht um der Innovation willen.
Die Finals der letzten WBCs haben stets etwas Neues hervorgebracht und viele Baristi waren in Ihrer Präsentation sehr darauf bedacht, Neues zu bieten. Es hinterließ oft den Eindruck, das Konzept wurde am Reißbrett entworfen und vom Teilnehmer auswendig gelernt. Irgendwann wurde dann jede Sau geritten, und viele Präsentationen wirkten hohl.
Dale war charmant, on point, sein Text wirkte frei vorgetragen, er hat, eine Seltenheit leider, sogar ab und an gelacht! Und ich meine wirklich gelacht, kein Eiskunstlauf-Lächeln.

2. Es geht auch anders
Die Finalisten der letzten Jahre haben ein Gewinner-Rezept entstehen lassen: Nimm einen Geisha Kaffee und die Ek43 zum Mahlen. Das hat ungefähr so viel mit dem Alltag eines Barista zu tun wie ein Kurierfahrer in einem Lamborghini zur Rush Hour in Hamburg.
Dale Harris arbeitet für HasBean, die Rösterei von Stephen Leighton. Ein herrlich schräger Typ, der seit vielen Jahren Kaffees unter anderem aus El Salvador direkt bezieht. Sein Wettkampf Kaffee ist eine Kenia Varietät, SL-28 angebaut auf der Farm Las Brumas in El Salvador.
Das Entscheidende hier ist, es ist kein Geisha!! (Was mein Problem mit den Wettkampf-Geishas ist, könnt Ihr hier nachlesen) Auf jeden Fall kann das Lot von Dales Kaffee bald im Shop von HasBean für 10 £ bestellt werden :) Versucht das mal mit einem Ninty Plus Geisha...

Das zweite Bemerkenswerte, und auch wenn es vielleicht für den einen oder anderen nicht wichtig klingt: man kann mit einer gut eingestellten, stinknormalen K30, ohne das Kaffeemehl abzuwiegen Baristaweltmeister werden!
Es gibt heuer Kollegen die kopfschütteln, wenn ich bei einer eingestellten Mühle das Mehl nicht für jeden Shot abwiege. Tja Leute, gelernt ist halt gelernt. HasBean ist bekannt für gut entwickelte Röstungen, das Bohnenbild im Hopper von Dale lässt erahnen, dass es sich nicht um die hellste Röstung der WBC Geschichte handelt. Ein etwas breiterer Sweetspot und viel Erfahrung geben einem genug Sicherheit, um mit einer „normalen“ Routine an der Espressomaschine Weltmeister zu werden.

Kein schöner Zug der SCA
Diesen Herbst hat die Spezialitäten Kaffee Vereinigung, kurz SCA als Austragungsort für einige ihrer Wettkämpfe 2018 Dubai benannt. Diese Ankündigung hat innerhalb der Spezialitäten-Szene für reichlich Protest und Unverständnis gesorgt, sind fragwürdige Menschenrechte, Sklaverei und Verachtung Homosexueller (und LBGTQ) in den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt.
Ausgelöst durch den internationalen Aufschrei, allen voran der Medienpartner der Meisterschaften, die einflussreiche Seite sprudge.com, kündigte die SCA an die Entscheidung nochmal zu überdenken.

Diesen Samstag, kurz nach den Semifinals der Barista Weltmeisterschaft, kündigte die SCA nun an die Spiele doch in Dubai auszutragen. Bedenken bezüglich der Menschenrechte wurden auf so lächerliche Weise besänftigt, dass man glauben konnte Sepp Blatter sitze nun bei der SCA. Das Team von Sprudge hat daraufhin augenblicklich Ihre Berichterstattung von der WBC in Seoul abgebrochen und die Zusammenarbeit mit der SCA gekündigt. Ihre bemerkenswerte Stellungnahme ist hier zu lesen. Weitere Meinungen von namhaften Seiten, wie z. B. dem Barista Magazine folgen täglich.
Der Vergleich zur FIFA ist hier nicht weit hergeholt. Nestle als Hauptsponsor, Mitgliedsbeiträge, die fast komplett und ohne Gegenleistung ans Headquarter gehen, riesige Meisterschaften, von Freiwilligen unentgeltlich durchgeführt, trotz jährlicher Millionengewinne, fragwürdige Austragungsorte und mit Christiano Ronaldo ein Maskottchen, das treffender nicht... ach, das war wieder der andere Verein, entschuldigt.

 


Wie sieht die Zukunft der Kaffeeszene aus? Haben wir eine Interessenvertretung, die diesen Namen verdient? Werden sich neben der Formel 1 des Kaffees, der WBC auch andere, vielleicht praxisorientierte Formate langfristig etablieren?
Schreibt mir Eure Meinung gerne in den Kommentaren.

Ich habe dies an anderer Stelle bereits geschrieben, die Meisterschaften, gerade auf nationaler Ebene sind wichtig für die hiesige Baristaszene, auf internationaler Ebene gleicht das Ganze leider aber immer mehr einem bunten, absurden Zirkus mit vielen roten Nasen und einigen dicken Portemonnaies.

Euer Tolga

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Kommentare: 6
  • #1

    Wolfgang Klein (Montag, 13 November 2017 16:54)

    Hallo Tolga, danke für diesen Bericht. Ich glaube du sprichst vielen von uns aus der Seele. Eine Interessenvertretung von uns Baristi ist lange überfällig. Wir sollten das in der Szene einfach mal angehen, Vorschläge zusammenführen und einfach mal einen Tag lang zusammensitzen, diskutieren und einen "Plan" entwickeln. Gerne suche ich im Herzen der Republik (in Frankfurt) eine entsprechende Location (Somit die Fahrten der Teilnehmer nicht von einem Ende der Republik ans Ende erforderlich sind)

  • #2

    Rolf (Montag, 13 November 2017 17:09)

    "Kein schöner Zug" trifft es nur unvollständig. Und der FIFA Vergleich passt perfekt.
    Ich wusste ja immer, warum ich gegen die Hochzeit von SCAE und SCAA war.
    Aber das man sich, kaum zusammengefasst, zu so einem Stunt hinreißen lässt übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.
    Vielleicht sollte jedes der SCA Mitglieder mal drüber nachdenken ob man da nicht lieber jetzt Einhalt gebietet und mit den Füßen abstimmt.
    Wenn nicht jetzt wann dann?
    Vielleicht sollten wir ja alle zusammen die Gelegenheit nutzen und ein "so nicht" Zeichen setzten.
    Vielleicht bietet sich dabei auch direkt die Gelegenheit, mal einen Einblick in die Zahlen zu fordern, die solch ein Verhalten gegen die Breite der Mitglieder so oder so begründen (nicht entschuldigen) kann.
    Wenn es das wäre.
    Wie viel reden wir von fairen Kaffeepreisen, Direct Trade, Erzeugerwertschätzung usw.
    Um dann den Hauptevent des Jahres der Kaffeeszene von einem Sub-Markennamen eines der umstrittensten Konzerne des Welt federführend finanzieren zu lassen?
    In die Wasseraufbereitung für unsere Getränke brauchen wir nicht mehr zu investieren.
    Bald zieht auch unsere Espressomaschine aus dem umweltfreundlich angeliefertern Wassertank.
    Und da die Gedanken ja (zumindest Kaffee betreffend) noch frei sind.
    Nur für den Fall (was ich ob der SCA-Beiträge ohne Gegenbeweis nicht glauben will), das ein jährlicher Event nicht über Mitgliedsbeiträge und besser selektierte Sponsoren finanzierbar ist, könnte man darüber hinaus auch einfach noch mal über einen veränderten Turnus nachdenken.
    Qualität statt jährlichen Termin auf biegen und brechen.
    Olympiade ist übrigens nur alle 4 Jahre.
    Rolf

  • #3

    Stefan Dachale (Dienstag, 14 November 2017 08:41)

    Toll(ga )geschrieben. Danke! � Ich glaube es wird wirklich Zeit für einen praxisbezogeneren Gegenentwurf zur SCA. Denn wie Du schon schreibst, auf Internationaler Ebene ist vieles zu einer praxisfremden Materialschlacht geworden. Die Entscheidung für Dubai ist hierbei in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe und führt viele der ernstgemeinten Bemühungen der Specialty Coffee Szene ad absurdum ("leave the planet in a better condition then you found it" oder der abgeschmackte Begriff "Nachhaltigkeit ").

    Und nochmal zur Meisterschaft: Wie Dale Harris sein Ding durchgezogen hat war einfach großartig! Ein wirklich sensationeller Barista und würdiger Sieger!

  • #4

    Arash (Dienstag, 14 November 2017 14:17)

    Hey Tolga,

    danke für deine Meinung, ich schätze diese Sehr! Sowohl zum diesjährigen Sieger und auch zum Austragungsort Dubai, hast du meine Bestätigung!
    Ich denke die Zukunft liegt in unseren Händen, d.h. jeder von uns der in der Kaffeewelt arbeitet sollte den Respekt zeigen und Klarheit sprechen wie du es tust! Danke dafür!

    Arash

  • #5

    Nicolas (Mittwoch, 15 November 2017 13:43)

    Spanned und danke für den Bericht - Tolga!

    Das ist übringes der sympathische Brite bei der Arbeit: https://www.youtube.com/watch?v=sYsWwHw6xx8
    Leider mit Ton-Problemen, aber vielleicht wird das ja noch repariert.

    Etwas unschön ich bei den Veranstaltungen ist ja, das vorherigen Nennen von Aromen und explizite darauf-Hinweisen. Psychologisch auf jeden Fall schwierig - na wer schmeckt es nicht auch? :)

    Grüße,
    Nicolas.

  • #6

    Klaus Klein (Mittwoch, 15 November 2017 14:23)

    Hallo Tolga,

    Gratulation zu dem treffenden Bericht!
    Etwas zur SCA: Ich habe mir in der Vorwoche das Webinar von der SCA angehört.
    Ehrlich, hätte ich diese Stunde mit der Zahnbürste die Badfliesen geputzt, wäre es sinnvoller gewesen.
    Ich muss dazu sagen, dass ich (noch) kein Mitglied bin. Ich habe überlegt mit meinem Unternehmen und einem zweiten welches wir im Dezember starten, beizutreten. Jedoch meine vorhergehenden Erfahrungen mit der SCA lassen mich noch immer zweifeln. Bist du kein Mitglied, existierst du für diese Personen nicht. So eine geringe Wertschätzung stößt mir sauer auf. Wir werden uns in den nächsten Monaten ganz genau überlegen ob wir uns für eine Mitgliedschaft entscheiden.
    Liebe Grüße
    Klaus
    P.s.: Das Posting soll nicht als Hassposting gesehen werden, sondern entspricht meinen Erfahrungen und ich würde mir wünschen, dass man sich mehr um seine zukünftigen Mitglieder bemüht.